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Aus dem Spanischen von Svenja Becker, 160 Seiten, Hardcover, auch als E-Book erhältlich
ISBN | 978-3-86241-506-9 |
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Erschienen | 08/2024 |
Eine Zugfahrt ins Landesinnere, zu einer Militärkaserne in Paso de los Toros. Der Sohn ist dort eingekerkert, Gefangener der Militärdiktatur in Uruguay. Besuchszeit: zehn Minuten. Anreise: sechs Stunden. Das Fenster des Waggons verwandelt sich zur Leinwand. Das Schtetl in Polen zieht vorbei. Die Schneiderwerkstatt in Lublin. Die Liebeserklärung an Rosa unter dem Pflaumenbaum. Die Soldatenzeit im Krieg. Schließlich die Auswanderung in das ferne Land in Südamerika. Der Tod des älteren Sohnes, der an Hirnhautentzündung stirbt.
Und die Briefe der zurückgebliebenen Angehörigen. Die Briefe, die irgendwann nicht mehr ankamen. Von den Daheimgebliebenen, den Verschollenen, den Ermordeten. Was bleibt, sind ein paar gerettete Fotos. Das Zeugnis der Cousine Zofia, Tochter von Abraham, des Schwagers des Vaters. Die Auschwitz und Ravensbrück überlebt hat. Und das Wachhalten der Erinnerung an jene, die Widerstand geleistet haben, wie beim Aufstand in Treblinka.
In einem autobiografischen literarischen Mosaik vermischen und verweben sich die Erinnerungen des Autors an seine Kerkerjahre, in denen er als politischer Gefangener buchstäblich lebendig begraben war, mit den Erinnerungen des Vaters, mit Rückblenden in die Kindheit und der Spurensuche nach den Familienangehörigen, die Opfer des Holocaust wurden. Sein Buch setzt den oft vergessenen polnischen Opfern der Shoah ein literarisches Denkmal.
Geschrieben in einer wunderbar klaren, auf den wesentlichen Kern reduzierten Sprache hat Mauricio Rosencof ein zutiefst bewegendes Kleinod der Wortkunst geschaffen, in dem sich wie in einem Kaleidoskop seine eigene Welt entfaltet. Die auch die seiner Compañeros ist, die seiner Familie und seiner Verwandten. Eine Welt, die das Schicksal der Menschheit in sich birgt. Und in der die Erinnerung der Zufluchtsort der menschlichen Würde ist.
Das Vorwort des Buches, »Die Welten des Mauricio Rosencof«, gibt es online bei hagalil zu lesen.
»Das Schweigen meines Vaters« des uruguayischen Autors Mauricio Rosencof ist eine vielschichtige und bewegende Auseinandersetzung mit dem Schicksal seiner polnisch-jüdischen Familie. Seine zahlreichen Erinnerungssplitter fügen sich zu einer einzigen Erzählung und einem historischen Ganzen zusammen.
Eva-Christina Meier, Erinnerungen eines Guerilleros, taz, 7.9.2024
Noch vor jeder Darstellung der Täter, mit welchem Grad an Analyse und Anklage auch immer, gibt es die Pflicht, den Opfern zu geben, was ihnen vor dem Leben von diesen genommen wurde: die Gestalt, der Name, die Person, das Leben, das eben nicht nur eine Gleichung mit dem Tod, sondern auch eine mit dem Vergessen hat. […] Auch bei Rosencof, 1933 als Sohn jüdischer Emigranten in Uruguay geboren, steht ein Kampf um die Erinnerung im Mittelpunkt. Es ist die Suche nach den in Polen ermordeten Familienangehörigen, und es ist, wie der Titel es schon anreißt, das Durchbrechen einer Mauer, die durch die Brutalität der Militärregierung in Uruguay noch einmal aktualisiert wurde. „Rosencofs Schreiben ist der beständige Versuch, ihre vollständige Auslöschung nicht hinzunehmen, den Plan der Nazis zu vereiteln. Ihnen ein literarisches Denkmal zu setzen, sie so am Leben zu erhalten“, schreibt Theo Bruns in seinem Vorwort. Und anders als in den Beispielen aus Deutschland ist hier klar, dass die Geschichte der Normalisierung des Faschismus und der Faschisierung des Normalen nie zu Ende ist.
Georg Seeßlen, Der Führer, die Verführer, die Verführten und die Normalen, der Freitag, 14.8.2024
Die gesamte Literatur des Theater- und Prosaautors, Lyrikers und ehemaligen Guerillakämpfers umkreist das Trauma der jüdischen Vernichtung, der Davongekommenen. Sein neues Werk ist nicht nur ein Stück wunderbar gelungener Literatur des mittlerweile 91-Jährigen, auch nicht nur ein wichtiger Beitrag zu einer Erinnerungskultur, die die Schrecken des Holocausts spüren lässt, sondern enthält in kleinen Szenen tröstende Elemente. Die innovative Collage literarischer Miniaturen ergibt ein stimmiges Ganzes.
Gaby Küppers, Ein Fenster zur Welt der Erinnerungen, ila 479, Oktober 2024
Erich Hackl würdigt in einem ausführlichen Porträt das Lebenswerk des uruguayischen Schrifstellers Mauricio Rosencof. An dem neuen Roman »Das Schweigen meines Vaters« gefällt ihm besonders der »Tonfall und vor allem sein Vermögen, Menschen derart behutsam und liebevoll abzubilden, dass wir uns nach ihrer Gesellschaft sehnen und in ihrem Schweigen aufgehoben fühlen«.
Erich Hackl, Wille, Würde, Schweigen, junge welt, 16.10.2024
Mit diesem Buch der gelebten und imaginierten Erinnerungen schreibt Mauricio Rosencof beharrlich gegen das Vergessen an und für ein kollektives Gedächtnis. Sein neuer Roman ist von einer poetisch-metaphorischen Sprache geprägt, die Unvorstellbares in Worte übersetzt.
Ute Evers, Schreiben gegen das Vergessen, iz3w, Nov./Dez. 2024
»Das Schweigen meines Vaters« erzählt keine Geschichte, sondern einen Zustand. Es gibt keine Peripetie, es gibt keine Auflösung, es gibt das Leid der Menschen, die ermordet wurden und erniedrigt, und jener, die überlebt haben. […] Vor diesem Hintergrund ist es durchaus interessant, dass sich in Deutschland vor allem Romane gut verkaufen, kurze Texte und auch Fragmente aber selten bis nie ein Publikum gefunden haben: Die Erinnerungsstruktur der deutschen Kulturlandschaft ist eine, die in der Psychologisierung eine Entlastung sucht.
Frédéric Valin, Schuhe für den Aufseher, nd, 10.11.2024