Wu Ming

1994 hatten sich europäische Künstler*innen und Aktivist*innen entschlossen, die gemeinsame Identität »Luther Blissett« anzunehmen und unter diesem Kollektivpseudonym aufzutreten. In Italien fanden in der Zeit von 1994–1999 im Rahmen des Projekts Aktionen im Stile der Kommunikationsguerilla statt. Die Gruppe lancierte Pressekampagnen, in deren Zentrum erfundene Personen standen, warb in Inseraten für von einem Affen gemalten Ölbilder, die bei der Biennale zu sehen seien, verbreitete Fake-Meldungen über satanische Messen in Bologna und entwendete Heiligenstatuen aus Kirchen. Im Dezember 1999, am Ende des Fünfjahresplans, begingen die Aktivist*innen symbolisch den rituellen Selbstmord der Samurai »Seppuku«.

Der 1999 veröffentlichte Roman »Q« ist der finale Beitrag eines Autorenquartetts des Luther-Blissett-Projekts aus Bologna. Der »theologische Western« über Reformationszeit, Bauernkriege und die Wiedertäuferkommune in Münster avancierte zum internationalen Bestseller. In 18 Sprachen übersetzt, erlebte er auch in Deutschland mehrere Auflagen.

Im Januar 2000 schloss sich dem Quartett ein weiterer Autor an. »Wu Ming« nannte sich die neue Autorengruppe nun. Der chinesische Ausdruck bedeutet »ohne Namen« oder auch »fünf Namen« – je nachdem, wie man die erste Silbe ausspricht – und ist zugleich als Hommage an chinesische Dissidenten zu verstehen, die diesen Namen häufig benutzen. Außerdem beinhaltet »Wu Ming« den Hinweis auf den dritten Vers des Daodejing: »Ohne Namen sind die Ursprünge des Himmels und der Erde.«

Seitdem hat das Kollektiv sieben Romane veröffentlicht, denen gemein ist, die offizielle Geschichte gegen den Strich zu bürsten, um gegen das Kontinuum der Herrschaft Räume der Utopie zu öffnen. Wu Ming arbeitet mit gleitenden Identitäten und wendet die Praxis der Kommunikationsguerilla auch auf die Literatur an. So entdeckt und erfindet Wu Ming Geschichte(n) neu und liefert Gegenentwürfe zum Bestehenden. »Die Freiheit der Fiktion gegenüber den Niederlagen der realen Geschichte macht ihr utopisches Potenzial aus« (Der Freitag). Zurzeit besteht das Kollektiv aus drei Personen: Wu Ming 1, 2 & 4.

Wir fanden, es war höchste Zeit, die Romane des Wu-Ming-Kollektivs auch dem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen. Der Verlag Assoziation A hat deshalb ein ehrgeiziges Editionsprojekt gestartet und hat ab Februar 2015 mehrere Titel von Wu Ming in deutscher Übersetzung publiziert. Nach dem Debütroman »54« veröffentlichten wir 2016 »Altai«, einen Roman, der historisch an »Q« anschließt. In der Folge erschienen »Kriegsbeile«, »Manituana«, »Die Armee der Schlafwandler« und  »Ufo 78«.

Porträts des Autorenkollektivs finden sich z.B. im Freitag Radek Krolczyk: Wu Ming ist viele und in der Le Monde Diplomatique Lucie Geffroy: Die Buchstaben-Guerilla.

Zur Website von Wu Ming.

Wu Ming

  • 54

    3. Auflage, Juni 2021 Das Jahr 1954: Die McCarthy-Ära neigt sich ihrem Ende entgegen. Der Kalte Krieg steuert auf einen neuen Höhepunkt zu. In Vietnam besiegt die Viet Minh die Franzosen in der Schlacht von Dien Bien Phu. Der Mafioso Lucky Luciano organisiert von Neapel aus den globalen Drogenhandel. Chruschtschow… Weiterlesen

  • Altai

    Venedig 1569. Eine gewaltige Detonation erschüttert die Nacht, der Himmel lastet rot auf der Lagune. Das Arsenal, die Werft der Serenissima, steht in Flammen, die Jagd auf die Schuldigen wird eröffnet. Manuel Cardoso, ein konvertierter Jude, wird zu Unrecht verdächtigt und dient als Sündenbock. Durch Flucht kann er sich dem… Weiterlesen

  • Die Armee der Schlafwandler

    Paris, im Januar 1793: Die Hinrichtung Ludwig XVI. unter der Guillotine steht kurz bevor, ein letzter Versuch zu seiner Befreiung scheitert. Es beginnt die dramatische Phase der Jakobinerherrschaft, der entflammten politischen Leidenschaften, der gegenrevolutionären Verschwörungen und Aufstände. Der Arzt Orphée D’Amblanc, ein Anhänger der Hypnosetechnik, stellt seine Praktiken in den… Weiterlesen

  • ,

    Kriegsbeile

    Jahrtausendwende, Italien. Eine interkontinentale Bewegung entsteht – Seattle, Chiapas, G8-Gipfel in Genua. Daniele Zani, ein junger Anwalt aus dem Umfeld der Tutte Bianche, kämpft für das Aufenthaltsrecht von Flüchtlingen und gegen ihre Internierung in Lagern. In der Bar Nicola, dem »Kreml«, lauscht er den Erzählungen ehemaliger Partisanen. Daniele ist auf… Weiterlesen

  • Manituana

    Thema des Romans »Manituana« ist der amerikanische Unabhängigkeitskrieg (1775–1783). Er beleuchtet den Zusammenprall dreier Welten: Die Stammesgesellschaften der indigenen Ureinwohner treffen auf die feudalen Strukturen des britischen Empire und den Expansionsdrang der aufständischen Siedler, deren anbrechende Herrschaft sich auf Gewalt gegen die autochthone Bevölkerung stützt. Im Mittelpunkt der Handlung steht… Weiterlesen

  • Ufo 78

    Das Ende der 70er-Jahre: Gegenkultur und Drogenexperimente, Feminismus und Kampf für das Recht auf Abtreibung, Schließung der Irrenanstalten und letzte große Sozialreformen, Eskalation der Militanz und zunehmende Repression, faschistische Geheimbünde und Waffenlager. Das Wendejahr 1978: Aldo Moro wird entführt und ermordet. Das Land im Ausnahmezustand. Wechsel von drei Päpsten auf… Weiterlesen

Bücher nach Autor*innen A-Z