Sonntage ohne Gott

Vorläufige Hölle, Bd. 5

16,00 
inkl. 7 % MwSt.

Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler, 120 Seiten, Hardcover, auch als E-Book erhältlich

ISBN

978-3-86241-481-9

Erschienen

02/2021

Alle Bücher von bei Assoziation A

Beschreibung

»Sonntage ohne Gott« ist der fünfte und letzte Teil des Roman-Zyklus »Vorläufige Hölle«, mit dem Luiz Ruffato brasilianische Literaturgeschichte geschrieben hat. Ein vielstimmiger, zerrissener Chor aus zahllosen Einzelstimmen erzählt die Geschichte Brasiliens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive der Arbeitenden, Besitzlosen, Entrechteten. Der vorliegende Band ist der Schlussakkord dieser großen kollektiven Erzählung.

Die Handlung spielt in den 1990er-Jahren. Es ist eine Zeit langsamer, wenn auch fragiler gesellschaftlicher Konsolidierung. Die Diktatur hat sich aufgelöst, die Wirtschaft stabilisiert sich und am Horizont zeichnet sich das 21. Jahrhundert ab, das mit einem ökonomischen und demokratischen Aufschwung beginnen wird.

Im letzten Kapitel des Buches begegnen wir erneut Luis Augusto, genannt Guto – einem Alter Ego des Autors. Wenn auch geschieden, verunsichert, vielfach gescheitert, überarbeitet, ist er nun nicht mehr das schüchterne Kind aus dem armen Hinterland in Cataguases. Er hat studiert, ist angekommen in São Paulo, der urbanen Welt, gehört zur Mittelschicht und spürt den pochenden Puls der Zeit.

Der Roman schließt mit einer großen Metapher: Zum Jahreswechsel wartet Guto unter Tausenden Läufern auf den Startschuss zum traditionellen Silvesterlauf. Nach dem Start werden alle gemeinsam in eine Richtung laufen, um die Vergangenheit endgültig hinter sich zu lassen.

Der Roman wurde 2012 mit dem Premio Casa de las Américas ausgezeichnet.

Die Übersetzung aus dem Portugiesischen wurde mit Mitteln des Auswärtigen Amtes unterstützt durch litprom e.V. – Literaturen der Welt.

Sehr angetan ist Hans Durrer von Luiz Ruffatos Sprache, seinem Erzählstil, seinem Rhythmus, der einen magisch reinzieht in die Lebensumstände, die er schildert.
Hans Durrer, Bücher und Bilder mehr …

„Sonntage ohne Gott“ von Luiz Ruffato ist die genaueste literarische Chronik eines ebenso faszinierenden wie zutiefst zwiespältigen Landes. Luiz Ruffato entgeht kein Detail dieser nur scheinbar unspektakulären Lebenstragödien, kein Geruch, kein Geräusch und keine stimmliche Nuance. Ebenso bestechend ist die stets fluide Übersetzung von Michael Kegler, der ein feines Ohr hat für Slang, Rhythmus sowie regional und sozial geprägte Sprechweisen.
Marko Martin, Stadtluft macht nicht frei, DLF Kultur, 16.3.2021 mehr …

Marko Martin ist sehr angetan von der “konkreten Prosa” Luiz Ruffatos. Oft genüge ihm “ein einziger Satz, um eine ganze Welt zu evozieren: Illusionslose Empathie, verknüpft mit einer geradezu sensualistischen Genauigkeit”. Angesichts der Schonungslosigkeit, mit der Ruffato der brasilianischen Gesellschaft schon vor Bolsonaro den Spiegel vorgehalten habe, entbehre es nicht einer gewissen Logik, dass sein Romanzyklus auf Deutsch bei dem “eher kleinen, anarchistisch geprägten Verlag” Assoziation A erschienen sei.
Marko Martin, Konkrete Prosa, Die Welt, 20.3.2021 mehr …

Der Romanzyklus stellt für Mario Scalla “die wichtigste und interessanteste literarische Unternehmung aus Brasilien” dar. Ihm gefällt vor allem, das hier das Brasilien von unten beschrieben wird, das proletarische, das arme Brasilien – und das mit literarisch sehr avancierten Mitteln. Der Roman zeige die Grundprobleme der brasilianischen Geselllschaft auf.
Mario Scalla, Neue Bücher, hr2 kultur mehr …

Ruffato nimmt uns mit in eine Welt, die in der von Telenovelas geprägten Kultur Brasiliens nicht vorkommt. Es ist die Welt, in der der Großteil der brasilianischen Bevölkerung lebt, die Welt des Interiors, des kleinstädtischen Milieus im Landesinnern. Cataguases ist Dreh- und Angelpunkt in sämtlichen der sechs »Fabeln«, wie Ruffato seine Episoden nennt: Heimat, Rückzugsraum, vor allem Ort zermürbender Ereignislosigkeit, der nur erträglich bleibt, wenn man sich und den anderen etwas vormacht: »Was half, war, Gedanken zu überlisten.« Cataguases wird bei Ruffato zum Szenario zahlloser Erinnerungen und Erlebnisse. Es ist ein Ort, den man nur schwer hinter sich lassen kann, obwohl man sich nichts sehnlicher wünscht. Ein Ort, aus dem nur in Panik wie aus »einer verseuchten Region, einer verwüsteten Zone« geflohen werden kann – in die Megametropolen São Paulo oder Rio, wo die Träume, Verheißungen, Projektionen von Reichtum, Karriere, Familienglück oder Ansehen ins Unfassbare wuchern. (…) Die liebevolle Umsicht und Behutsamkeit, mit denen Ruffato Wörter und Sätze fügt, sein poetischer Realismus, die Lautmalereien, all das Gestammel, wo jeder Ordnungsversuch eine Verzerrung der Realität wäre, sein detailgenaues, nüchternes Einfangen einer schwer zu beschreibenden Welt von abgemagerten Alltagen, mickrigen Hoffnungen, von Selbstbetrug, der Euphorie über das Fast-Nichts, des sich Arrangierens in der Sackgasse – all das fügt sich zu einem Imperativ: Schaut hin, dies hier, verehrte Leserin, verehrter Leser, dies hier ist der unsichtbare Teil des tief gespaltenen Brasiliens.
Lutz Taufer, Guto rennt los, jw, 27.5.2021 mehr …

Ruffatos Texte scheinen Vorboten zu sein für ein von sozialer Ungleichheit, Gewalt, Korruption und Machismo geprägtes Brasilien der Bolsonaro-Ära.
Martina Knopf, Prognostische Literatur, literaturkritik.de mehr …

Ruffato hat eine ganz neue Form sozial engagierter Literatur geschaffen, nämlich kurze Einzelskizzen, aus denen sich nach und nach ein Bild der Zerrissenheit der heutigen brasilianischen Gesellschaft zusammensetzt. (…) Es ist toll, dass alle fünf Romane des Zyklus »Vorläufige Hölle« von Luiz Ruffato nun auf Deutsch vorliegen und dass Assoziation A in Zusammenarbeit mit dem großartigen Übersetzer Michael Kegler diese verlegerische Leistung vollbracht hat.
Gert Eisenbürger, Warum sie so unglücklich sind, ila 444 mehr …

Aufwühlend erzählen die 118 Seiten vom Leben mit seinen Tücken. Und davon, wie schwer das Leben zu überlisten ist. Luis Ruffato spürt den brasilianischen Alltagstragödien großartig nach, die nur scheinbar unspektakulär sind.
Eva von Steinburg, Von brasilianischen Lebenstragödien, die nur scheinbar unspektakulär sind, Tópicos 2/2021

Im Gegensatz zu Dante finden die Helden von Ruffato schon hier auf Erden, in Brasilien ihre Hölle. Ihr Leben stellt eine ständige Bestrafung dar. Im fünften Band der Pentalogie verfeinert der Autor seine Sprache noch mal. Ein authentischer Versuch, das Leben brasilianischer Arbeiter, Farbiger, Migranten als Vorhölle zur Sprache zu bringen, hat seinen Abschluss gefunden, in der bewährten, musterhaften deutschen Übersetzung von Michael Kegler. Ruffato gelingt es, eine avantgardistische Schreibweise mit der mündlichen Sprache des Volkes aufzuladen. Er schreibt die Geschichte der Arbeiterklasse Brasiliens als Roman, als vorläufige Hölle. Die Geschichten schmerzen, aber wie sie erzählt werden, ist überwältigend.
Ruthard Stäblein, Deutschlandfunk, Büchermarkt, 12.7.2021 mehr …

Luiz Ruffato hat eine literarische Sprache gefunden, mit der er den Menschen eine Stimme gibt und ihre Welt absolut ernst nimmt. Weder liefert er sie unserem Unterhaltungsbedürfnis aus, noch unterstellt er ihnen ein politisches oder ideologisches Programm. Sie leben ihr Leben, vieles wird ihnen vorenthalten, vieles verpassen sie aus eigener Unzulänglichkeit. Ruffato sorgt dafür, dass sie uns etwas angehen – als Voraussetzung dafür, dass sich etwas ändert und die Hölle eine vorläufige ist. “Das ist eine Utopie. Ich weiß.”
Valentin Schönherr, Schreiben, um zu verändern, Südlink, Dezember 2021

Als “grandios komponiertes Zeitgemälde” sieht der Rezensent den Romanzyklus “Vorläufige Hölle”, der mit “Sonntage ohne Gott” seinen Abschluss findet.
Arndt Krödel, Rhein-Neckar-Zeitung, 23.9.2022