Was Gaby Weber, seit zwanzig Jahren Südamerika-Korrespondentin und durch ein Buch über die „Verschwundenen von Mercedes-Benz“ (2001) als Kennerin von Themen und Material ausgewiesen, als vorläufigen Zwischenbericht einer engagierten und eindringlichen Recherche vorlegt, ist weit mehr als bloßer journalistischer Scoop, sondern ein brisantes Stück zeitgeschichtlicher, sorgfältig archivalisch basierter Forschung. ... Die über Länder und Jahre hinweg praktizierten Transaktionen nach Südamerika und zurück mit ihren hier nicht einmal ansatzweise darzustellenden personellen, finanziellen und wirtschaftlichen Verflechtungen und Hintertreppen wurden von der Verfasserin geradezu kriminalistisch ermittelt. Wenn je eine bis in die Gegenwart reichende zeitgeschichtliche Reportage den Egon-Erwin-Kisch-Preis verdienen würde, dann dieses Buch. Die Autorin ... rührt an historische Tabus, wenn auf beiden Seiten des Atlantik profitable Nazi-Beziehungen der Perón-Zeit gerne unter den Teppich gekehrt werden. Alles in allem können wir in dem solide dokumentierten Buch auch die fragwürdige Historie guter und schlechter, meist aber letztlich einträglicher Nachkriegs-Geschäfte nachlesen – in den Grauzonen von Kapital und nationaler und internationaler Politik und im Halbschatten der Geschichte von Firmen, welche sich den jeweiligen Machthabern und Weltläuften geschmeidig und einträglich anzupassen wußten. Viele Fragen, von der Autorin auch an Daimler-Benz gestellt, bleiben offen. Und Südamerika ist, wie es scheint, für viele dankenswerterweise so weit entfernt wie die mehr oder weniger legalen Peinlichkeiten der NS- und Nachkriegszeit. Die rückhaltlose Öffnung der Archive in Deutschland, im Vatikan und in Argentinien wäre nur durch eine engagierte Öffentlichkeit zu erzwingen. Deren Interesse an der Kumpanei von Regierungen, Firmen, alten und neuen Kameraden und verschworenen Kameradschaften aus glorreicher Zeit scheint jedoch, wie der Zeitgeist lehrt, relativ schwach entwickelt zu sein.
Albrecht Götz von Olenhusen ausArchiv für die Geschichte ...
... Vom globalisierten Kapital handelt auch ein anderes Buch. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Maschinen, Fabriken und technologisches Know-how aus Deutschland, Polen und Schweden nach Argentinien exportiert. Über Schweizer Banken lief der Geldtransfer, über den Vatikan die Ausstattung der Alt-Nazis mit neuen Papieren. Argentinien bot die Beherbergung, Tarnung und Beschäftigung alter Nazis und Kriegsverbrecher an. Mercedes Benz Argentina spielte dabei eine Schlüsselrolle. Auch Adolf Eichmann arbeitete bei dieser Firma unter dem Namen Ricardo Klement. ... DaimlerChrysler gibt von dieser Geschichte immer nur so viel zu, wie ohnehin aktenkundig geworden ist. Sonst mauert der Konzern - insbesondere im Fall der der 15 in Zeiten der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 „verschwundenen“, d.h. ermordeten MBA-Betriebsräte. Gaby Weber hat in ihrem Buch wie in einem Dokumentarfilm Indizien und Zeugenaussagen gesammelt, die die Verwicklung der Firma in die dubiose Geschichte belegen. In argentinischen Medien wird der Fall debattiert, seit die Autorin dem Thema nachgeht. Die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland dagegen lehnten die Sendung des Films ab.
Rudolf WaltherHumanitär drapiert ausFrankfurter Rundschau
Gert Eisenbürger ausFriedensForum mehr ...
Ein ziemlich dunkles Kapitel deutsch-argentinischer Beziehungen holt Gaby Weber in ihrem neuen Buch ans Licht. Was die in Uruguay ansässige Journalistin in jahrelanger mühseliger Kleinarbeit aus Archiven und Gesprächspartnern herausgeholt hat, passt so gar nicht zum strahlenden Bild des deutschen Wirtschaftswunders nach dem Krieg, ganz besonders nicht zu dessen Lichtgestalt Ludwig Erhard. ... Die Firma Daimler-Benz, eng mit dem NS-Regime verbunden, parkte vorausschauend bereits in den letzten Kriegsjahren, teils am NS-Regime vorbei, teils mit realistischen Nazis zusammen, erhebliche Vermögenswerte im Ausland, vor allem in der Schweiz. Während den Regierungen Peróns baute Daimler-Benz mit diesen illegal über Strohleute nach Argentinien transferierten Geldern ein Wirtschaftsimperium um die Firma „Mercedes-Benz Argentina“ auf. ... Vieles, was Weber und Garbely berichten, klingt so abwegig und abenteuerlich, dass man es leicht in den Bereich von Verschwörungstheorien und Fantasy-Spekulationen abtun möchte. In der Tat wurde und wird mit dem Verbleib ehemaliger NS-Größen und NS-Schätze viel wilde Spekulation betrieben. Tatsache bleibt aber, und in beiden Büchern wird dafür umfassend Belegmaterial beigebracht, dass der Strom von Kapital und NS-Verbrechern nach Argentinien keine Marginalie war, sondern einen nicht unerheblichen Teil am Aufschwung der argentinischen Wirtschaft unter Perón und an der Konsolidierung seines Regimes hatte. Und dass die Folgen dieser Epoche bis in die Gegenwart hineinreichen. Insofern gilt es nicht nur, sich vor Verschwörungstheorien zu hüten, sondern auch, nicht freiwillig die Augen vor verbrecherischen Strukturen zu verschließen. Oder, wie Gaby Weber ihr Buch mit Kant abschließt: „Es ist so bequem, unmündig zu sein.“
Rainer Huhle ausHispanorama
Wider den Mythos der fleißigen Deutschen ausInfoblatt d. Ökumenischen Büros mehr ...
Mindestens 30.000 Menschen „verschwanden“ während der argentinischen Militärdiktatur zwischen 1976 und 1983. Mit ihrem Buch „Die Verschwundenen von Mercedes-Benz“ hat die Journalistin Gaby Weber 2001 das Schicksal von Gewerkschaftern bei Mercedes-Benz Argentinien (MBA) und die Mitverantwortung der Firmenleitung in Argentinien nachgezeichnet. Der Fall der verschwundenen Gewerkschafter von Mercedes-Benz ist nicht nur in Deutschland, sondern in mehreren lateinamerikanischen Ländern zu einem beispielhaften Fall der Kooperation eines multinationalen Unternehmens und einer Militärdiktatur geworden. Auch in ihrem neuen Buch „Daimler-Benz und die Argentinien-Connection“ thematisiert Gaby Weber die Verwicklung des Konzerns in den Militärputsch 1976 und das Verhalten der Firma während der Diktatur. Vor allem handelt das Buch aber, so der Untertitel, von „Rattenlinien und Nazigeldern“. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches gelangten über die so genannten Rattenlinien bis zu 50.000 Nationalsozialisten nach Argentinien. Diese Tatsache ist spätestens seit der Verhaftung des Kriegsverbrechers Erich Priebke und seiner anschließenden Auslieferung nach Italien bekannt. Weniger bekannt sind die Geld- und Maschinentransfers, die von großen deutschen Firmen bereits im Kriege vorbereitet wurden und nach dem Krieg über neutrale Länder wie Schweiz und Schweden abgewickelt wurden. Gaby Weber hat mit Jorge Antonio den Mann interviewt, der Mercedes-Benz in Argentinien 1951 gegründet hat. Offiziell durften die Deutschen keine Filiale in Argentinien gründen, Jorge Antonio diente ihnen also als Strohmann. Aus einem geplanten Lastwagenwerk wird innerhalb weniger Jahre ein dreistelliges Millionenimperium. Gaby Weber legt plausibel dar, welche Indizien dafür sprechen, dass vor allem in den Jahren 1951 bis 1953 aus versteckten Nazi-Vermögen und vor dem Zugriff der Alliierten versteckte Sachwerte zum Aufbau von Mercedes Benz nach Argentinien verbracht wurden. Dies soll mit geschmuggeltem Bargeld, überhöhten Preisen sowie manipulierten Wechselkursen unter Mitwirkung des deutschen und des argentinischen Staates vonstatten gegangen sein. Die erzielten Gewinne wurden in Deutschland als Exporteinnahmen des Unternehmens verbucht. Der Stern des Strohmannes Jorge Antonio ging allerdings schnell unter – nach dem Ende der peronistischen Regierung 1955 musste Jorge Antonio Perón ins spanische Exil folgen. Spannend liest sich die Dokumentation eines Prozesses, der im Anschluss an die Beschlagnahme von MBA 1955 bis 1957 in Argentinien geführt wurde. In einzigartiger Weise wurde durch ein argentinisches Gericht das Geschäftsgebaren eines Großunternehmens untersucht. Dies mag auf Seiten der neuen Militärmachthaber in Argentinien auch einen politischen Hintergrund gehabt haben, weil Mercedes-Benz eng mit der Regierung Peróns verbunden war. In vielleicht typischer argentinischer Weise konnte der Konflikt dadurch beigelegt werden, dass sich die deutsche Zentrale von Mercedes Benz und die argentinische Regierung auf einen außergerichtlichen Vergleich einigten. Es wurde eine Entschädigungssumme in nicht bekannter Höhe bezahlt.
Wolfgang KaleckVon Rattenlinien und Nazigeldern ausINKOTA-Brief 131
Jessica ZellerWorking at the Carwash ausjungle world 46/2004 mehr ...
Rogelio C. ParedesOscura trama secreta ausLa Nación mehr ...
That scores of fugitive Nazis found their way to Argentina after World War II, aided and abetted by Gen. Juan D. Perón, is no secret. But according to a book just published here that draws extensively on archival material only now being made available to researchers, his government also offered a haven for the profits of German companies that had been part of the Nazi war machine and whose assets the victorious Allies would otherwise have seized. In "The German Connection: The Laundering of Nazi Money in Argentina," Gaby Weber, a German journalist, argues that the Perón dictatorship sponsored an operation to move illicitly obtained wealth to Argentina and then back to Germany. For nearly a decade, her book asserts, German-made cars, trucks, buses and even the machinery for entire factories flowed into Argentina, paid for with dollars that were then used to help finance the "German economic miracle." To the chagrin of Argentines who still revere him and his wife, Evita, the evidence she presents indicates that Perón and a few favorites around him also took a cut. But Ms. Weber, who has lived and worked in South America since the mid-1980's, said she was mainly interested in what she described as two parallel but complementary money streams to and from Germany, which were involved in and benefited from the arrangement. "One must make a distinction between the Nazi Party organization and the companies, which had no interest in financing a Nazi resurgence," she said in a recent interview here. "My focus is on the official Argentine government operation to help those companies launder their money, but a lot of Nazis also did it on their own, hoping to reconstruct the party" from their hiding places here. Ms. Weber's book, published in German and Spanish, is based in part on research in the corporate archives of Mercedes-Benz and on interviews with Argentines and Germans who took part in the scheme. But she also consulted government records of Germany, the United States and, particularly, Argentina, where she found transcripts of interrogations of participants after Perón's ouster in September 1955, and other official documents that until now were generally off-limits to researchers. According to the documents Ms. Weber cites, the laundering operation involved both the consistent overcharging for goods exported from Germany to Argentina and billing for nonexistent transactions. But the Argentine Central Bank also cooperated by permitting transactions to be conducted at an exchange rate unusually favorable to German companies. "The German Connection" focuses largely on Mercedes-Benz, the automobile, bus and truck manufacturer that is today a unit of Daimler-Chrysler. But others offered by Ms. Weber as beneficiaries of the plan include German makers of electrical and railway equipment and other capital goods, as well as producers of items as varied as tractors and television sets. (...) Ms. Weber also found documentary evidence that in at least a couple of cases, entire factories were shipped to Argentina for reassembly here. Perón envisioned Argentina as an industrial power and apparently saw the importing of German equipment and experts as the best way to jump-start aircraft, chemical and other industries. (...) In his book "The Real Odessa: Smuggling the Nazis to Perón's Argentina," the Argentine writer Uki Goñi documented how Croatian fascists allied with the Nazis shipped over 500 pounds of gold bars to Argentina after World War II. But he said that "regarding German or Austrian Nazi money after the war, the trail is more diffuse." (...) "I'm sure something happened, but the documents are still hidden," Mr. Goñi said. "A tremendous amount of research still needs to be done, and the Argentine government needs to open up more records, especially those of state intelligence."
Larry RohterA New Look at Argentine-Nazi Ties ausNew York Times
Sergio Kiernan El otro lavado ausPágina/12 mehr ...
Wolfgang Kaleck ausRundbrief des RAV mehr ...


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